In die Tiefen der Geologie abgetaucht

Erste GIZ-Exkursion führt nach Windischeschenbach

Von Alexander Neidhardt


Exkursionsteilnehmer vor dem Bohrturm der KTB

Am vergangenen Freitag veranstaltete der Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. (kurz "GIZ") für seine Mitglieder und alle weiteren Interessierten seine erste Exkursion. Mit der Durchführung von Exkursionen und Ausflügen zu interessanten Schauplätzen im Bereich der Geowissenschaften hat sich der Verein ein weiteres Ziel gesteckt, für Themen aus diesem Bereich zu sensibilisieren. Erster Anlaufpunkt war somit auch die Anlage der Kontinentalen Tiefbohrung (KTB) in Windischeschenbach, um sich dort über Sinn und Zweck des bis 1994 aktiven Bohrturms zu informieren. Die KTB ist das bedeutendste geowissenschaftliche Forschungsprojekt der Bundesrepublik und trug wesentlich zur Etablierung des International Continental Scientific Drilling Programms (ICDP) bei.

Nach Ankunft am frühen Nachmittag wurde den Besuchern durch Dr. Dahlheim, den betreuenden Wissenschaftler des Informationszentrums, in Form von Vorträgen und Videopräsentationen das Umfeld des 600 Millionen Mark teuren Projekts nahegebracht. Die Überlegungen zum Bau der Bohranlage begannen bereits 1978.

Im Rahmen der langjährigen Projektplanung wurden vorab an verschiedenen Standorten geologische Untersuchungen bzgl. des Temperaturverlaufs und der kristallinen Struktur im Untergrund durchgeführt. Das geologische Modell für Windischeschenbach schien hierbei durch dessen Störungssysteme, wie die "Fränkische Linie", als besonders interessant und geeignet. 1989 wurde somit die Vorbohrung bis auf eine Tiefe von 4000 Meter in Angriff genommen. Besonderheit dabei war, dass über die gesamte Strecke Kerne entnommen werden konnten, welche Aufschluss über die Zusammensetzung des kristallinen Untergrunds ergaben. In den Jahren von 1990 bis 1994 wurde schließlich die Hauptbohrung angelegt, welche aus heutiger Sicht als dritttiefste auf der Erde bei 9101 Meter wegen widriger Umstände eingestellt werden musste. Die Modelle, mit denen die Vorhersagen gerechnet wurden, stammten nämlich aus Erfahrungen der Erdölindustrie, welche hauptsächlich auf Sedimentgestein basieren und damit auf kristalline Untergründe nicht direkt übertragbar sind.

Bei den Bohrungen konnten wichtige Erkenntnisse zum Aufbau und Zustand der oberen Erdkruste gesammelt werden. Es wurde erkannt, dass es in diesen Tiefen trotz der enormen Auflast offene Risssysteme mit teilweise direkter Kommunikation (verbundene Wassersysteme) gibt, was in Laborversuchen nicht nachvollziehbar ist. Die in 9000 Metern angetroffenen Gesteinsabfolgen entsprechen exakt denen an der Oberfläche, wodurch zum ersten Mal der Betrag einer Überschiebung direkt messbar wurde. Die gemachten Erfahrungen flossen maßgeblich bei der Erstellung neuer Krustenmodelle ein. Die entwickelten Technologien und Bohrtechniken, z.B. zur Neigungsmessung und zum genutzten Sohlemotor, kommen noch heutigen Bohrsystemen zu Gute.

Nach der grundlegenden Einführung durfte die Besuchergruppe mit Helmen ausgestattet den 83 Meter hohen Bohrturm bis auf eine Höhe von 14 Metern besteigen, um sich im ehemaligen Kontrollraum mittels eines Videofilms einen Einblick in die aktiven Jahre zu verschaffen. Besonders eindringlich war dieses Erlebnis, da die Gruppe dort einen Gewitterregen mit Böen miterlebte. An dieser Stelle wurden noch einige Fakten deutlich. Das gesamte Gestänge des Bohrers wiegt bei einer Länge von 9 Kilometern 360 Tonnen. Alle 100 Meter musste der Bohrkopf gewechselt werden, was trotz dieser Tiefen durch den teilautomatischen Betrieb nur ca. 38 Stunden gedauert hat. Dabei kam die Bohrung selbst jede Stunde aber nur ungefähr einen Meter voran. Probleme bereiteten dabei zwei Gestängeabstürze und ein festgefressener Bohrkopf, der nur durch Absprengung und erneuter, vorbeiführender Bohrung umgangen werden konnte. Auch der Einsatz von Elektronik ist in diesen Tiefen generell wegen der Temperaturen von ca. 275 Grad Celsius unmöglich.

Nachdem der Regen nachgelassen hatte, konnten die Exkursionsteilnehmer wieder auf festen Boden herabklettern und wurden durch einen wundervollen Regenbogen für das abenteuerliche Erlebnis belohnt. Anschließend wurde die Heimreise angetreten. Dabei fasste man den Entschluss, solche Exkursionen in unregelmäßigen Abständen zu wiederholen. Damit auch berufstätige bei zukünftigen Ausflügen nicht benachteiligt sind, sollen die nächsten Ausflüge an Wochenenden stattfinden.


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