Geodäsie zwischen Eis und SchneeVortrag über die VLBI-Station O'Higgins/AntarktisVon Alexander Neidhardt
An dieser Stelle leitete Dr. Schlüter über zum geodätischen Messprinzip von VLBI. Dabei müssen mindestens zwei Teleskope zu einem Zeitpunkt den selben Quasar anmessen. Durch die enorme Entfernung der Radioquelle erreichen die Erde quasi ebene Wellenfronten, welche von den Teleskopen entsprechend ihrer Lokalität auf der Erde zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgezeichnet werden. Aus den Zeitunterschieden und Winkelbeziehungen können Basislinien zwischen den Teleskopen ermittelt und deren Veränderungen errechnet werden. Die Ergebnisse dieser Messungen sind letztendlich Angaben zur Drehbewegung der Erde, zu Polbewegungen und zur Kontinentaldrift. Mit einigen weiteren Schaubildern zu Referenznetzen, der Messausrüstung und Genauigkeitsvoraussetzungen schloss Dr. Schlüter mit einigen Messergebnissen. Anhand von Beobachtungsdaten seit 1984 konnte so nachgewiesen werden, dass sich Nordamerika (Westford) und Europa (Wettzell) pro Jahr um 18 Millimeter entfernen. Im folgenden zweiten Teil berichtete Christian Plötz, der als Elektroingenieur auf der Station arbeitet, von seinen Aufenthalten in der "German Antarctic Receiving Station (GARS)". Diese wurde nach einer Erkundung des Geländes in den antarktischen Sommermonaten der Jahre 1989 bis 1991 vom damaligen Institut für Angewandte Geodäsie (IFAG) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erbaut. Sie befindet sich an der Südwestspitze der antarktischen Halbinsel auf der Insel O'Higgins. Neben der Gewinnung von Fernerkundungsdaten der Satelliten durch die DLR werden dort kampagnenweise VLBI-Messungen betrieben. Zu diesem Zweck reist Christian Plötz mehrmals pro Jahr in die Antarktis, um das speziell aerodynamisch konstruierte 9-Meter-Teleskop und die zugehörige Messtechnik zu warten und zu bedienen. Eindrucksvoll waren dabei die Schilderungen und Bilder über die Arbeit und das Leben auf der Station mit ihren unwirtlichen Bedingungen. Das Erlebnis beginnt bereits mit der je nach Witterung 4- bis 14-tägigen Anreise über Punta Arenas (Chile) mit einer Militärmaschine der chilenischen Luftwaffe nach King-George-Island (Süd-Shetland-Inseln) und mit einer kleinen zweimotorigen Twin-Otter weiter zu einem Gletscherplateau bei O'Higgins. Mit einer 50 Meter langen Hängebrücke endet der Abstieg und führt vorbei an der chilenischen Militärstation zur völlig verschneiten deutschen Station, die zu Kampagnenbeginn erst ausgegraben und reaktiviert werden muss. Das Leben dort beschränkt sich dann auf einige Container mit Wohn- und Arbeitsräumen. Der Tagesablauf ist komplett durch die Arbeiten bestimmt. Eine bemerkenswerte Bilderserie brachte die Eindrücke von dort näher und rundete den Vortrag ab. Aus der Fragerunde wurde ersichtlich, dass viel Interesse an den Lebensumständen vor Ort herrschte. Auch in der anschließenden Nachsitzung wurde rege darüber weiterdiskutiert. Der nächste Vortrag aus dem Programm des zweiten Halbjahres findet nach der Sommerpause am 21. Oktober statt. Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie, Prof. Dr. Hermann Seeger, wird dann zum Thema "Deutschland, Europa und die ganze Welt - welches Koordinatensystem benötigt man heute?" referieren.
|