Deutschland, Europa und die ganze Welt

GIZ-Vortrag zu Koordinatensystemen in der Erdvermessung

Von Alexander Neidhardt

Dr. Klügel (l.) und Prof. Seeger (r.) vor dem Plakat des Fördervereins

Mit dem Vortrag "Deutschland, Europa und die ganze Welt - welches Koordinatensystem braucht man heute?" hat sich der Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. am vergangenen Donnerstag nach der Sommerpause zurückgemeldet. Referent war diesmal kein geringerer als der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, Prof. Dr. Herrmann Seeger. Er war maßgeblich am Aufbau der Fundamentalstation Wettzell und ihrer Großprojekte beteiligt.

Nach der traditionellen Einführung durch den Vereinsvorstand, Dr. Thomas Klügel, begann Prof. Seeger seinen allgemeinverständlichen Vortrag, in dem er einen Abriss über die historische Entwicklung von Referenznetzen seit dem Beginn der geodätischen Landesvermessung bis heute lieferte. Prof. Seeger begann dabei mit dem allgemein bekannten Begriff eines Koordinatensystems, welches über zwei Achsen eine Fläche aufspannt. Darin können Punkte mittels ihrer Koordinaten eingetragen werden. Auf den Anwendungsfall der Erde übertragen sind Koordinaten auf einer gekrümmten Fläche (Ellipsoid oder Geoid) zu definieren. Das Geoid definiert eine Äquipotentialfläche, auf der das Lot senkrecht steht. Dieses ist von der Massenverteilung der Erde abhängig.

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die zahlreichen Kleinstaaten in Europa ihr Gebiet zu vermessen und zu kartographieren. Hauptgrund dafür waren die Erhebung von Steuern und die militärische Kartenerstellung. Problem dieser ersten Gradnetze war, dass jeder Kleinstaat mit eigenen geodätischen und astronomischen Messungen sein eigenes Vermessungsbezugssystem definierte. Die Mittelpunkte der ermittelten Ellipsoide wichen somit auch um mehrere hundert Meter ab, so dass Positionsangaben nur innerhalb eines Systems galten.

Aus diesem Grund entstand bereits 1850 der Grundgedanke, für Europa eine einheitliche, mitteleuropäische Gradmessung zu definieren. Die Realisierung davon lies jedoch bis nach dem Zweiten Weltkrieg auf sich warten, als die U.S. Armee eine Gruppe von Vermessern, welche als Rechner bezeichnet wurden, in Bamberg mit dem Auftrag der Vereinheitlichung ansiedelte. Dabei wurden zwischen 50 Kilometer entfernten Punkten Dreiecksketten und -netze aufgespannt, welche die gesamte Fläche abbildeten. Weitere Verdichtungen führten zu dem Netz, welches zur Vermarkung von Grundstücken genutzt wird. Zwei dieser Punkte der Umgebung waren der Große Arber und der Burgstall auf dem Hohen Bogen. Durch diese großangelegte Vereinheitlichung von Westeuropa bis Persien konnte nun auch ein einheitlicher Ellipsoid mit einem einheitlichen, geodätischen Koordinatenbezugssystem definiert werden.

In den 60er Jahren kam die Forderung eines globalen, internationalen Referenznetzes hinzu. Als Datenlieferanten für die Vermessung werden heute die auch in der Fundamentalstation Wettzell eingesetzten fundamentalen Messverfahren Radiointerferometrie, Laserentfernungsmessung und das Globale Positionierungssystem GPS eingesetzt. So entstand 1989 der sog. International Terrestrial Reference Frame (ITRF) als festes Bezugssystem, für das Ende der 90er Jahre zahlreiche GPS-Kampagnen durchgeführt wurden.

Prof. Seeger schloss mit einer Übersicht über die Anzahl und Verteilung heutiger, permanenter Messsysteme und betonte dabei die Spitzenstellung, die Wettzell im internationalen Vergleich einnimmt. Der anschließende, traditionelle Nachtrunk führte wieder zu zahlreichen, interessanten Gesprächen. Der im Nachthimmel gut sichtbaren Laserstrahl des Laserentfernungsmesssystems bot dabei das nötige Ambiente. Der nächste Vortrag findet am 18.11.2004 statt und beschäftigt sich mit millimetergenauen Beobachtungen von Deformationsprozessen mit Hilfe der Radarfernerkundung aus dem Weltall. Referent ist dann Dr. Franz Meyer (Weitere Informationen unter: http://www.giz.wettzell.de/).


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