Mit Skiern Grönland durchwandert

Letztes Vortrags-Highlight des Fördervereins GIZ im Jahr 2004

Von Alexander Neidhardt

Wieder einmal konnte der Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. das Interesse einer großen Zuhörerschaft durch einen seiner Vorträge wecken, der dieses Mal den Titel "Geodäsie im weißen Nichts - mit Skiern auf historischen Spuren durch Grönland" trug. Vortragender war Andreas Reinhold, der als studierter Geodät und Mitarbeiter des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Leipzig zusammen mit drei weiteren Extremsportlern im Jahre 2002 eine Grönland-Expedition durchführte.

Die komplette Expeditionsgruppe vor den Zugschlitten

Andreas Reinhold war bereits in der ehemaligen DDR im Kombinat für Geodäsie und Kartographie mehrfach in der Antarktis tätig und hat dort die raue Landschaft und die extremen Bedingungen kennen gelernt. Nach dem Zusammenschluss der Einrichtungen betreute er als Mitarbeiter des BKG die Antakrtisstation in O'Higgins. 1997 traf er zufällig in der Fundamentalstation Wettzell auf Wieland Adler, der als Geodät und Bergsteiger eine eigene, private Expedition durch Grönland organisieren wollte. Mehrere Treffen folgten und bald war ein Team gefunden, als zusätzlich Wilfried Korth, ein Geodäsie-Professor aus Berlin, und Dieter Rülke, ein Extrembergsteiger, dazustießen. Unter dem Motto "Ein Mann braucht ein Ziel" begannen schließlich im Januar 2001 die ersten Vorbereitungen. Vorbild war eine historische Durchwanderung im Jahre 1912 durch den Schweizer Meteorologen Alfred de Quervain.

Eine ausführliche Vorbereitungsphase mit Hilfe von historischen Karten und Satellitenaufnahmen, einer Auswahl der technischen Ausrüstung und erster Testläufe bildete die Grundvoraussetzung. Die Expedition musste zusätzlich in Dänemark angemeldet werden und eine Versicherung für eine mögliche Rettungsaktion war von Nöten. Finanziert wurde das Unternehmen unter anderem durch eine Sonderpostkarte, welche zu Beginn in Grönland verschickt wurde. Im Sommer 2002 konnte schließlich der Marsch in Angriff genommen werden. Anders als de Quervain wollte die Gruppe die Insel von Ost nach West durchqueren, da Unwegsamkeiten durch Spalten und metertiefe Flussläufe an der Westküste den Aufstieg ins Inlandeis unmöglich gemacht hätte.

Andreas Reinhold in Grönland nach einer Tagestour

Nach dem Verladen alle Ausrüstungsgegenstände auf die Pulkas (Zugschlitten) begann der Aufstieg. In Tagesetappen von durchschnittlich 22 km wurden die insgesamt 684 km bewältigt. Jeder musste, laut Reinhold, erst einmal seinen eigenen Rhythmus finden. Der Tagesablauf war dabei einem festen Zeitplan unterworfen. Jeden Abend musste ein neues Lager gebaut werden, welches durch eine Mauer aus Eisblöcken zu schützen war. Insgesamt wurden so im Laufe der Expedition ca. 480 Meter feste Mauer errichtet. Dabei herrschten in der Nacht Temperaturen von bis zu minus 30 Grad Celsius. Die Ernährung beschränkte sich auf gefriergetrocknete Speisen und eine konzentrierte, fetthaltige Fertignahrung mit Namen "Pemmikan". Überlebenswichtig war aber die Zufuhr von ausreichend Flüssigkeit über den Tag hinweg von mindestens 2 Litern Tee und Suppe.

Geodätische Bedeutung hatte diese Durchwanderung dadurch, dass mit Hilfe von GPS ein Höhenprofil der historischen Route erstellt werden konnte. Zusätzlich wurde eine Magnetvermarkung vorgenommen, indem an den Messpunkten Magnete vergraben wurden, welche bei späteren Expeditionen wieder geortet werden können. Dadurch sind Eisverschiebungen und -driften des 3600 Meter dicken, grönländischen Eispanzers messbar. Alle Erlebnisse und Erkenntnisse wurden in einem Tagebuch festgehalten, so dass auch ein Temperaturprofil erstellt werden konnte. Es stellte sich heraus, dass die heutigen Ergebnisse ideal mit den damalige Erkenntnissen von de Quervain harmonieren und auch ähnliche Sichtungserlebnisse zu berichten sind.

Andreas Reinhold vor dem Phänomen HALO, einem Ring um die Sonne durch Reflektion des Sonnenlichts an Eiskristallen in der Atmosphäre

Nach 40 Tagen endlich war das Inlandeis durchwandert. Die Probleme mit gebrochenen Skibindungen, verbogenen Zuggestänge und Steigeisen, einem defekten Küchenzelt und einem waghalsigen Abstieg über Gletscherspalten lagen hinter der Mannschaft. Der Vortrag endete schließlich mit einer regen Fragerunde. Im Anschluss konnten sich die Zuhörer bei Glühwein und Lebkuchen von den quasi miterlebten Strapazen und der Kälte erholen.

Auch im nächsten Jahr wird es wieder eine Neuauflage der Vortragsreihe geben. Das dann gültige Programm wird bis Ende Januar veröffentlicht, unter anderem auch auf der Internetseite des Vereins (http://www.giz.wettzell.de/).


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