Über Schrecken und Faszination von Erdbeben

Erster Vortrag des Fördervereins GIZ im Jahr 2005 ein überwältigender Erfolg

Von Alexander Neidhardt

Zum Auftakt des neuen Vortragsprogramms konnte der Förderverein Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. wiedereinmal mit einer besonderen Attraktion aufwarten. Zusammen mit der Stadt Kötzting wurde diesmal über 150 Zuhörern im Haus des Gastes "Das verheerende Sumatra-Erdbeben aus Sicht eines Seismologen" nahe gebracht. Referent war Dr. Walter Zürn vom Geowissenschaftlichen Gemeinschaftsobservatorium in Schiltach/ Schwarzwald, der seinen Zuhörern die Ambivalenz zwischen wissenschaftlichem Forscherdrang und menschlichem Mitgefühl für das Leid in betroffenen Regionen deutlich machte. Somit konnte auch am Ende des Vortrags für die Flutopfer in Indien gespendet werden.

Dr. Walter Zürn vor einem mobilen Stroppe Seismometer und einem daran angeschlossenen Schreiber. Damit wurden im Foyer die Erschütterungen durch die Schritte der Besucher sichtbar.

Eine besondere Wertschätzung für die Arbeit des Vereins war es, dass als Vertreter der Stadt Bürgermeister Wolfgang Ludwig die Begrüßung übernahm. Dabei wies er im besonderen Maße darauf hin, welche hohe Wertstellung die Fundamentalstation Wettzell und auch der dort gegründete Förderverein für die Stadt Kötzting haben. So wird auch das geplante Informationszentrum im alten Schulhaus in Wettzell die Bedeutung weiter erhöhen. Zuvor wurde bereits im Foyer anhand von vom Verein aufbereiteter und funktionsfähiger Geräte die Funktionsweise der seismologischen Messungen für Laien greifbar.

Obwohl Erdbeben nicht ungewöhnlich sind und auch relativ zahlreich auftreten, wie die Zuhörer im Vortrag erfuhren, ist ab einer gewissen Stärke häufig auch eine extreme Zerstörung und damit viel Schrecken und Leid verbunden. Um dieses gezielt anhand eines Projektes zu lindern, wurde der Abend auch zu einer Spendenaktion genutzt. Das gesammelte Geld in Höhe von 546,- Euro wird von der Stadt an den Pastor John Rajiah in Chennai (früher: Madras) übergeben, dessen Projekte vom Unterhalt von Waisenhäuser bis hin zur Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln durch Rudolf Stöger vorgestellt wurden und einen Beitrag zur Flutopferhilfe leisten.

Im Anschluss leitete der Vereinsvorsitzende, Dr. Thomas Klügel, über zum eigentlichen Vortrag und stellte den Referenten Dr. Walter Zürn vor. Als studierter Physiker wechselte er nach seiner Promotion im Bereich der Seismologie zur Universität Kalifornien, Los Angeles (UCLA), von wo aus er sogar als erster Deutscher eine Überwinterung am Südpol unternahm. Unter dem Motto "Seismologen sind auch Menschen mit Gefühlen" versuchte Dr. Zürn langsam in die konträre Betrachtungsweise überzuführen, in der ein Seismologe ständig zwischen Faszination und Schrecken hin und her gerissen ist.

Die historische Auflistung der schlimmsten Erdbeben mit mehr als hunderttausend Toten zeigt, dass gerade die Regionen um China und Indonesien betroffen sind. Aber auch in Messina/Italien wurde 1908 ein solch zerstörerisches Beben verzeichnet. Verblüffend für viele war es, dass es zwar pro Jahr nur wenige starke Beben (ab Stärke 8 nur eines)gibt, jedoch statistisch gesehen ca. alle 11 Minuten ein Beben der Stärke drei bis vier stattfindet. Dies konnte nach einigen technischen Schwierigkeiten eindrucksvoll mittels einer Computeranimation verdeutlicht werden. Nach neuesten noch unbestätigten Zahlen ist jedoch das Sumatrabeben mit 9,3 das zweitstärkste in der Geschichte seit es Messungen gibt. Dr. Zürn gab dabei einen kurzen Einblick in die Ermittlung der Magnitude und damit Stärkenfestlegung eines Bebens in der Richter Skala. Interessant hierbei ist, dass sich bei Erhöhung des Wertes um eine Einheit die freigesetzte Energiemenge verdreißigfacht. Welche gewaltigen Energiemengen hierbei innerhalb kürzester Zeit in Sumatra frei wurden, wird daran deutlich, dass der weltweite Jahresenergieverbrauch der Menschheit nur 10 mal höher ist.

In Sumatra war der Auslöser das Absacken einer 800 bis 1200 km langen Fläche um 10 bis 30 Meter in einer Tiefe von ca. 28 Kilometern innerhalb von nur wenigen Minuten. Ein Tsunami kann dabei dann entstehen, wenn das Geschehen unterhalb der Wassermassen eines Ozeans stattfindet. Durch das ausgelöste Beben verlangsamte sich die Erddrehung messbar und der Pol verlagerte sich um etwa 8 cm, was aber angesichts der ständigen Bewegungen im Meterbereich keine Auswirkungen hat. Die sich über die ganze Erde ausbreitenden Erdbebenwellen konnten auch in Wettzell mit ein bis zwei Zentimeter Amplitude erfasst werden.

Walter Zürn leitete mit einer Erklärung der verschiedenen Wellenarten und ihrer Ausbreitungen über zu den wissenschaftlich interessanten Erkenntnissen, die man anhand ihrer Ausbreitung erhält. Da die unterschiedlichen Wellen an den Grenzflächen im Erdinneren mehrfach reflektiert, gebrochen und überlagert werden, geben sie Auskunft über den Aufbau unseres Heimatplaneten. Faszinierend hierbei ist, dass die Erde noch Monate nach dem Beben wie eine angeregte Glocke nachschwingt, was zur Zeit noch anhand eines mit der Periode von 20 Minuten wiederkehrenden Signals zuordenbar ist.

Mit einem kurzen Abstecher in die ernüchternde Bilanz der Vorhersage von Erdbeben kam der Referent zum Ende. Dabei stellte er deutlich heraus, dass es zwar Indizien für solche Katastrophen geben kann, diese aber nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen müssen. Vorhersagen sind deshalb nur schwer, wenn überhaupt möglich, wodurch die einzige Chance in der Nutzung von Frühwarnsystemen liegt, was durch Erfahrungen aus Japan eindeutig bestätigt werden kann. Wie üblich wurde der Vortrag mit einer regen Fragerunde beendet. Anschließend bot sich die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Umtrunk im Hotel zur Post.

Beim nächsten Vortrag am 17. März wird Dr. Wolfgang Bosch vom DGFI München über "Die Meeresoberfläche - Narbengesicht einer sich wandelnden Erde" referieren. Der Vortrag findet in gewohnter Weise wieder in der Fundamentalstation statt.


Erschienen in:
(19.02.2005) jpg
(19.02.2005) jpg
(19.02.2005) jpg