Auf einer Kartoffel durch das Sonnensystem

Vortrag des Fördervereins GIZ über die Form der Erde - Wieder viele Zuhörer

Von Alexander Neidhardt

Fast jeder hat zu Hause einen Globus, der ein verkleinertes Abbild unserer Erde repräsentiert. Viele haben auch in der Schule gelernt, dass diese ideale Kugelform aufgrund der Fliehkräfte durch die Erdrotation an den Polen abgeplattet ist und in einer weiteren Näherung ein Ellipsoid bildet. Doch die Geodäten haben eine wesentlich genauere Vorstellung von der wahren Gestalt unseres Heimatplaneten. Von dieser handelte der Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. am vergangenen Donnerstag, als sich Dr. Johannes Ihde vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt der Frage "Was haben Apfel, Birne und Kartoffel mit der Form der Erde zu tun?" stellte.

Dr. Johannes Ihde vor einer Luftaufnahme der Fundamentalstation Wettzell mit dem eingetragenen Wert für die dort gemessenen Erdschwerebeschleunigung

Dr. Ihde, der als studierter Vermessungsingenieur seit 1990 beim BKG (dem früheren Institut für Angewandte Geodäsie) tätig und seit 2001 als Abteilungsleiter u.a. auch für Wettzell zuständig ist, begann seine Ausführungen mit einer Begriffsbestimmung zur Geodäsie. Danach handelt es sich dabei um die Geowissenschaft, die sich mit der Bestimmung der Figur, der Rotation und des Schwerefelds der Erde befasst (Säulen der Geodäsie) und die Abbildung der Erdoberfläche einschließt. Der Begriff "Geodäsie" wird erstmals von Aristoteles erwähnt, der ihn im Sinne einer Anwendung der Geometrie zur Aufteilung von Ländereien verwendet. Diese statische Betrachtungsweise wird erst 1861 in Frage gestellt, als sich der preußische General Johann Jacob Baeyer Gedanken zu dynamischen Veränderungen der Lage und der Umdrehungsdauer der Erde machte. Mittlerweile ist bekannt, dass Form und Bewegung der Erde auch von vielen Umweltveränderungen, wie z.B. der Atmosphäre und der Hydrosphäre, abhängig sind.

Mit dem Newtonschen Attraktionsgesetz, welches die Anziehung zweier Körper im Raum beschreibt, leitete Dr. Ihde zu einer der grundlegenden, zu bestimmenden Kräfte in der Geodäsie, der Erdschwerkraft über. Nach Newton ergibt sie sich aus der Massenverteilung im Erdinneren und der Fliehkraft aus der Rotation. In diesem Zusammenhang räumte Dr. Ihde auch mit der Legende auf, dass Newton die Idee zum Attraktionsgesetz aufgrund der Beobachtung eines fallenden Apfels gekommen sei. Der Apfel wurde in der Menschheitsgeschichte oft als Symbol z.B. der Liebe und des Lebens herangezogen. Beim mittelalterlichen Reichsapfel verkörpert er die Erde.

Über die Gradmessungen des 18. Jahrhunderts aus denen die verschiedenen klassischen Definitionen für Maßeinheiten, wie z.B. der Meter als 40 Millionster Teil der Meridianbogenlänge, abgeleitet wurden, führte Dr. Ihde hin zu den Messinstrumenten zur Schwerebestimmung. Schon Christian Huygens unternahm hierzu Versuche anhand eines Pendels. Die veränderliche Schwerkraft macht sich nämlich z.B. auch bei Uhren bemerkbar, bei denen das Pendel entsprechend des Standorts eingestellt werden muss. Helmerts Reversionspendelmessungen im frühen 20. Jahrhundert im Geodätischen Institut Potsdam bildeten 70 Jahre lang den Bezug für weltweite Schwerebestimmungen. Mittlerweile sind alleine in Deutschland über dreihunderttausend Punkte mit Gravimetermessungen bestimmt worden. Das BKG sichert heute mit seinen Absolutschweremessungen den Schwerestandard für Deutschland.

Dabei gibt es unterschiedliche Messprinzipien. Beim Absolutgravimeter wird in einer Vakuumkammer ein Prisma wiederholt aus einer definierten Höhe fallen gelassen. Per Laser wird der Fall über 750 Streckenabschnitte ausgemessen und gleichzeitig die Zeit mit einer Atomuhr gestoppt. Es ergibt sich eine absolute Bestimmung der Schwere an einem Ort. Bei einem supraleitenden Gravimeter wird dagegen die relative Schwereänderung gemessen, in dem in einer supraleitenden Spule eine Kugel in einem Schwebezustand gehalten wird. Durch kapazitive Messung können Lageveränderungen der Kugel gemessen und korrigiert werden, woraus die relativen Veränderungen der Schwere ableitbar sind. Für die Fundamentalstation Wettzell liegt eine lange Reihe von Absolut- und Supraleitgravimetermessungen vor. Diese Daten, kombiniert mit den anderen Messtechniken der Station, dienen der Kontrolle insbesondere für Höhenänderungen. Das ist die Voraussetzung, dass Wettzell ein stabiler Pfeiler für das geodätische Bezugssystem ist.

Der Zusammenhang zwischen Schwere und Höhe wird deutlich, wenn man bedenkt, dass nivellierte Höhen sich auf den sog. Geoid beziehen, einer Äquipotentialfläche, auf der das Lot immer senkrecht steht und entlang der sich der Wasserspiegel ausrichtet, was wiederum durch das Schwerefeld beeinflusst wird. Das hat erheblichen Einfluss auf die Landesvermessung und technische Disziplinen, wie z.B. das Bauwesen. Schwerewerte werden z.B. für die Eichung von Waagen benötigt. Zur Modellierung des Geoids werden heutzutage zu den Messpunkten auf der Erdoberfläche auch Satellitentechniken eingesetzt.

Aufgrund der leichten Eindellung des Geoids am Südpol und der Ausbeulung am Nordpol wurde die Form in den 60er Jahren von der NASA als birnenförmig bezeichnet. Heutzutage hat sich jedoch die bildliche Vorstellung des Geoforschungszentrums in Potsdam (GFZ) durchgesetzt, in der von der sog. "GFZ- Kartoffel" die Rede ist. Mit einer Animation zum Geoid schloss der Vortrag.

Im letzten Vortrag für dieses Halbjahr wird Dr. Wolfgang Schlüter am 16. Juni über das Thema "Und ewig fließt die Zeit - wie kann man sie messen?" referieren.


Erschienen in:
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Zusätzliche Veröffentlichungen:
(Juni 2005) png  Bundesministerium des Inneren (Link)