Über die Schwierigkeit am "Puls der Zeit" zu bleiben

Vortrag des Fördervereins GIZ über Zeitmessung - Wiederholung am nächsten Freitag

Von Alexander Neidhardt

Das moderne Leben wird immer hektischer und ist oft streng an Zeitmarken und Termine geknüpft. Fast jeder benutzt ganz selbstverständlich Quarzuhren oder sogar Funkuhren. Dabei hat doch jeder seine eigene, intuitive Vorstellung von Zeit. Während für den Alltag eine Genauigkeit von einer Sekunde ausreicht, muss für manche wissenschaftliche Anwendungen die Zeit bis zur zwölften Nachkommastelle bekannt sein. Welchen Aufwand dies bedeutet und wofür man solche exakten Zeitsysteme auf der Basis von Atomuhren benötigt, stellte am vergangenen Donnerstag Dr. Wolfgang Schlüter, Leiter der Fundamentalstation Wettzell, in seinem Vortrag "Und ewig fließt die Zeit ... Wie kann man sie messen?" innerhalb der Vortragsreihe des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. zahlreichen Zuhörern vor.



Dr. Wolfgang Schlüter mit einer zu Anschauungszwecken zerlegten Atomuhr vor einem Werbeplakat für Uhrenreisen, welche zum Zweck von Zeitvergleichen durchgeführt wurden.

Im Laufe der Geschichte war der doch eher unbegreifbare Begriff der Zeit immer Thema von Philosophen und Wissenschaftlern, so dass z.B. auch Heraklit, Newton und Leibnitz ihre eigenen Vorstellungen dazu entwickelten. Doch erst seit Albert Einstein steht der Begriff Zeit durch die Relativitätstheorie in einem neuen Kontext. Treffend auf den Punkt gebracht, ist Zeit für Einstein letztendlich das, was man an der Uhr abliest.

Das Messen dieser Zeit spielte hierbei schon immer eine große Rolle, wie Dr. Schlüter ausführte. Schon im alten Ägypten sicherte die Berechnung der Jahreszeiten die Erträge aus der Reisernte. Die Zeitangaben sind dabei entweder an den menschlichen Lebensrhythmus oder an periodisch wiederkehrende Ereignisse geknüpft. Ein Jahr ist somit ein kompletter Umlauf der Erde um die Sonne, während ein Tag aus einer vollen Umdrehung der Erde resultiert. Unsere heutige Zeitrechnung basiert auf dem Gregorianischen Kalender, der aus der Kalenderreform von Papst Gregor im 16. Jahrhundert entstand. Danach hat ein Jahr 365 Tage. Da ein Umlauf um die Sonne jedoch mit 365,2425 Tage festgelegt ist, müssen die Zeitangaben regelmäßig korrigiert werden, so dass alle vier Jahre ein Schalttag einzuführen ist, der dann wieder dreimal in Folge alle hundert Jahre ausfällt. Für eine durchlaufende Zeitzählung wird das Julianische Datum genutzt.

Lange Zeit wurde somit als Zeitnormale die Erde selbst verwendet. Ein Sonnentag ist dabei die Dauer zweier aufeinander folgender Meridiandurchgänge der Sonne. Wegen der Neigung der Rotationsachse und des elliptischen Umlaufs der Erde um die Sonne muss zwischen einem wahren und mittleren Sonnentag unterschieden werden. Zur Messung wurden schon früh Sonnenuhren verschiedenster Bauarten eingesetzt. So war u.a. mit Hilfe der sogenannten Mittagskanone, einer Sonnenuhr, die mit Hilfe eines Brennglases zur Mittagszeit eine Kanonenladung zündet, sogar eine Zeitsynchronisation möglich. Bei astronomischen Beobachtungen nutzte man dazu die Sternzeit. Ein Sterntag ist über die Meridiandurchgänge eines Fixsterns festgelegt und rund vier Minuten kürzer als ein Sonnentag. Die Tageslänge wird dabei auch von verschiedenen Effekten beeinflusst . Da die Erde wie ein Kreisel auf äußere Einflüsse reagiert, kommt es aufgrund äußerer Anziehungskraft durch Mond und Sonne zu einer "Taumelbewegung" der Erde. Zudem wirken sich Polbewegungen oder atmosphärische Einflüsse aus.

Über die verschiedenen Zeitskalen, welche durch internationale Konferenzen festgelegt wurden und einer Abbildung der Zeitzonen der Erde, leitete Dr. Schlüter über zu den Instrumenten zur Zeitmessung. Während die herkömmlichen Uhren als Timekeeper bezeichnet werden, sind Atomuhren sog. Zeitgeneratoren. Ihnen allen ist aber ihr gemeinsames Prinzip gleich. Gleichmäßig periodische Bewegungsvorgänge werden gezählt und schließlich angezeigt. Während vor den mechanischen Uhrwerken, zu denen die legendären, höchst präzisen Uhren des Schreiners Harrison zählen, zur Zeithaltung in der Antike Sand-, Wasser- oder Feueruhren genutzt wurden, trägt heute jeder seine eigene Quarzuhr am Handgelenk. Diese beruhen auf einem piezoelektrischen Effekt, bei dem mechanische Schwingungen Wechselladungen und damit eine Wechselspannung hervorrufen. In Wettzell wurden in den Anfängen auch stabile Quarzuhren zur Zeithaltung eingesetzt. Diese historischen Stücke konnten in der Ausstellung im Foyer sogar noch lauffähig betrachtet werden.

Heutzutage werden für die Zeithaltung Atomuhren eingesetzt. Sie basieren auf Energieübergängen von Atomen, die durch den Übergang von Elektronen auf unterschiedliche Umlaufbahnen möglich sind. Für Atomuhren sind nur spezielle Atome nutzbar, wie z.B. Wasserstoff, Cäsium oder Rubidium, die ein Elektron auf der äußeren Schale besitzen und auch Übergänge im Mikrowellenspektrum haben. Die Erfindung der Atomuhr führte zu einer neuen Definition der Sekunde, die im Jahre 1967 von der 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht eingeführt wurde. Dabei ist zu erwähnen, dass Atomuhren keine radioaktive Strahlung aussenden, wie irrtümlich manchmal angenommen wird.

In Deutschland ist die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig für die Zeithaltung zuständig. Aber auch in Wettzell sind hochgenaue Zeitgeneratoren notwendig. Für die geodätischen Messungen mit Radioteleskopen werden sog. Wasserstoffmaser eingesetzt, welche eine hohe Kurzzeitstabilität aufweisen. Die Zeitskala wird von den langzeitstabilen Atomuhren geliefert, welche auch in den Verbund zur Erstellung der Atomzeitskala (Universal Time Coordinated, UTC) durch das Bureau International des Poids et Mesures (BIPM) eingebunden ist.

Kurz ging Dr. Schlüter auch auf die Auswirkungen der allgemeinen und speziellen Relativitätstheorie ein. Sie besagt, dass bewegte Uhren langsamer und in einer größeren Höhen schneller gehen. Dies muss auch bei den Satelliten des Global Positioning System (GPS) berücksichtigt werden, die ebenfalls Atomuhren an Board haben. Zum Abschluss konnten die Zuhörer im Foyer die restaurierten Exponate des Vereins, u.a. ein komplett wieder hergestellter Zeitmessplatz der Fundamentalstation Wettzell, bewundern.

Mit diesem Vortrag endet die Reihe für dieses Halbjahr. Aufgrund des großen Andrangs wird aber der Vortrag nächsten Freitag um 20 Uhr wiederholt. Für das folgende Halbjahr sind bereits wieder einige Vorträge geplant. Besonders zu erwähnen ist, dass aufgrund des Einstein-Jahrs zum Thema "Relativitätstheorie" einer der international renommiertesten Wissenschaftler für dieses Thema gewonnen werden konnte. Prof. Dr. Ruder von der Universität Tübingen wird dazu am 13. Oktober im Haus des Gastes referieren.


Erschienen in:
(18.06.2005)
(24.06.2005)
jpg
jpg
(20.06.2005) jpg
(24.06.2005) jpg