Wie Europa in Zukunft den Weg weisen wird

Vortrag des Fördervereins GIZ über Galileo - Enormer Besucherandrang

Von Alexander Neidhardt

Navigieren mit Satellitentechnik gehört bereits heute zum alltäglichen Leben. Heutige Navigationssysteme basieren auf dem durch das Verteidigungsministerium der USA seit den 70er Jahren entwickelten Global Positioning System (GPS), welches auch für zivile Nutzer freigegeben wurde. Dabei handelt es sich aber um kein verlässliches System mit gewährleisteten Diensten, da die USA jederzeit Abschaltungen vornehmen kann. GPS ist damit zum Beispiel nicht als Hauptnavigationssystem in Flugzeugen erlaubt. Um diese Abhängigkeit aufzubrechen wird zur Zeit in Europa ein eigenes, freies und verlässliches Navigationssystem mit höherer Genauigkeit entwickelt, das den Namen Galileo trägt. Darüber informierte am gestrigen Donnerstag Prof. John Dow, Leiter des Navigation Office bei der European Space Agency (ESA), bei einem Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. als Auftakt zum Vortragsprogramm des zweiten Halbjahres. Leider war der Andrang diesmal wieder so groβ, dass zahlreiche Besucher nach Hause geschickt werden mussten.

Prof. John Dow (ESA) vor einem Abbild des zukünftigen Galileo-Satelliten

Prof. Dow studierte Mathematik, Physik und Astrodynamik in Glasgow/Schottland und ist seit den 70er Jahren bei der ESA tätig, wo er 1988 an der Technischen Universität Darmstadt promovierte und seit 1999 Honorarprofessor ist. In seinem Vortrag beleuchtete er speziell die technische Realisierung, aber auch die politischen Hintergründe und die vorgesehenen Entwicklungsstufen. Dabei soll operationell ab 2006 der sogenannte European Geostationary Navigation Overlay Service (EGNOS) in Betrieb gehen. Dies ist ein ziviler Zusatz zu GPS, um mit Hilfe von geostationären Satelliten eine höhere Genauigkeit über Europa zu erhalten. Das eigentliche Galileo wird etwas später funktionsfähig sein und zahlreiche, gewährleistete Dienste interoperabel zu GPS anbieten. Über den offen Dienst ist die Lokalisierung, Geschwindigkeitsbestimmung und Zeitübertragung für jeden Nutzer frei und hochgenau verfügbar. Ebenso sind kommerzielle Anwendungen von Drittanbietern aus dem Bereich Flottenmanagement oder Bankwesen möglich. Zu den zwei öffentlichen Diensten "Safty-of-Life" (Luftfahrt, Verkehrsüberwachung) und für öffentliche Auftraggeber (Polizei, Rettungsdienste) ist auch das sogenannte "Search-and-Rescue (SAR)" für weltweite Notrufe vorgesehen.

Da bereits GPS einen immensen, wirtschaftlichen Wachstumsmarkt darstellt, lassen sich mit Galileo die Anwendungsbereiche noch weiter ausbauen. Durch die gewährleisteten Dienste kann es in Flugzeugen eingesetzt werden, Staus und Unfallrisiken können besser eingeschätzt werden und global agierende Frachtzentren können ihre Waren weltweit verfolgen. Besonders im Bereich der Öl- oder Gassuche, zur Vermessung oder in der Raumfahrt sind weitere Anwendungen denkbar. Gerade aus diesem Grund ist es für die Europäische Union eine strategische Initiative, welche durch die Europäische Kommission und die ESA getragen wird. Zusätzlich sind zahlreiche Firmen (Inmarsat, Thales, EADS Space, u.a.) in einem Konsortium als Partner mit eingebunden, welches zum Beispiel auch als Konzessionär das zukünftige System betreiben soll. Der Entwicklungsaufwand beträgt hierzu mehrere Milliarden Euro. Im laufenden Betrieb fallen dann jedes Jahr weitere 220 Millionen Euro an.

Konzeptionell gesehen ist Galileo mit GPS vergleichbar. Allerdings nutzt es zwei andere Frequenzen, die noch bis Mitte nächsten Jahres dafür reserviert sind. In einem Raumsegment werden sich in einer Höhe von 23000 Kilometern auf drei Bahnebenen 27 Satelliten und drei Reservesatelliten befinden, die innerhalb von 14 Stunden und 5 Minuten die Erde umkreisen. Durch diese Höhe erreicht man, dass es weniger gravitative Einflüsse auf die Satelliten gibt und somit Ausfälle durch Rückpositionierung weitestgehend entfallen. Das Bodensegment dient mit seinen mehrfach ausgelegten Einrichtungen zur Kontrolle und zur Durchführung von Missionen. Regionale und lokale Komponenten erlauben auf bestimmte Gebiete begrenzte Zusatzdienste. Das eigentliche Benutzersegment wird durch EGNOS, SAR und Dienstleistungszentren ergänzt. Die gewünschte höhere Genauigkeit soll durch den Einsatz von sehr genauen Zeitnormalen in den Satelliten erreicht werden. Dazu werden in einem ersten Testaufbau Rubidium-Atomuhren und Wasserstoff-Maser eingesetzt.

Zur Zeit laufen die Vorbereitungen zum Start des ersten Satellitenprototyps, der voraussichtlich noch im Dezember in seinen Orbit gebracht werden soll. Der zweite etwas gröβere Satellit, der im Wesentlichen bereits dem zukünftigen Galileosystem entspricht, soll dann nächstes Jahr folgen. Zudem wird zu Testzwecken ein experimentelles Bodensegment aufgebaut, das aus zahlreichen Sensorstationen und einem ersten Datenverarbeitungszentrum besteht. Anschlieβend kann somit die "In-Orbit Validierung" eingeleitet werden, mit der die Funktionsfähigkeit überprüft wird und Schwächen erkannt werden sollen. Diese erfolgreiche Verifizierung ist die Voraussetzung für den Start der restlichen Satelliten, welche von den Trägerraketen Ariane, Proton, Soyuz oder Zenit der verschiedenen Weltraumorganisationen auf Position gebracht werden können.

Im Anschluss an den Vortrag fand noch eine rege Fragerunde statt, die das groβe Interesse an dem Thema Galileo augenscheinlich werden lieβ. Auch beim anschlieβenden Umtrunk wurde noch weiterdiskutiert. Leider konnten aufgrund des Andrangs nicht alle Besucher zum Vortrag eingelassen werden. Für all diese ist die Präsentation auf der Internetseite des Vereins (http://www.giz.wettzell.de/) zum Download bereit. Der nächste Vortrag findet am 13. Oktober statt und wird sich mit dem Thema "Was auch Einstein gerne gesehen hätte - Visualisierung relativistischer Effekte" beschäftigen. Dabei wird Prof. Ruder von der Universität Tübingen das komplexe Thema "Relativitätstheorie" anschaulich anhand von Animationen erläutern. Dieser Beitrag zum Einsteinjahr 2005 wird aufgrund des groβen Andrangs im Haus des Gastes in Kötzting stattfinden.


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