Digitale Landkarten nach Wunsch

Vortrag des Fördervereins GIZ zum Thema Geoinformationssysteme

Von Alexander Neidhardt

Egal ob Stadtpläne, Straβenkarten oder Atlanten - jeder nutzt im täglichen Leben verschiedenste Kartenwerke. Während die klassischen Landkarten auf Papier gedruckt sind, bieten neue Informationstechniken und intelligente Informationssysteme neue Möglichkeiten in digitalisierter Form für viele Bereiche des täglichen Lebens. Zudem ist heute bereits eine Vielzahl dieser Daten über groβe Datenbanken mit Internetanschluss sogar für den Privatanwender schnell verfügbar. Über diese neuen Aspekte der Geoinformationssysteme berichtete am Donnerstag Prof. Dietmar Grünreich, Präsident des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie, zum Thema "Von Landkarten zu Geodateninfrastrukturen - alter Wein in neuen Flaschen?".

Prof. Dietmar Grünreich vor einer plastischen 3D-Ausgabe einer Landkarte

Der Geodät Prof. Grünreich war lange Zeit beim Niedersächsischen Landesvermessungsamt in der Softwareentwicklung des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystem (ATKIS) tätig, bis er 1991 an den Lehrstuhl für Kartographie und Topographie der Universität Hannover berufen wurde. Seit 1999 ist er in der Funktion als Präsident des BKG auch für Wettzell verantwortlich. In Deutschland liegt das Vermessungswesen im Aufgabenbereich der Länder. So ist es nicht verwunderlich, dass jedes Bundesland seine eigenen Vorgehensweisen auf das eigene Gebiet beschränkt und dieses besonders betont. Deshalb leitete Prof. Grünreich seinen Vortrag mit einer kleinen Karikatur ein, welche die unterschiedliche Betonung des jeweils eigenen Bundeslandes in Karten darlegt. Diese individuellen Vorstellungskarten werden auch als "Mental Maps" bezeichnet.

Amtliche Kartendarstellungen gibt es seit ca. 200 Jahren. Diese topographischen Kartenwerke wurden aus klassischen Vermessungen erstellt und in unterschiedlichen Maβstäben angefertigt. Besonders bekannt ist dabei der Maβstab 1:25000, was bei den Vermessern als sog. Messtischblatt bekannt ist. Bei ländergrenzenübergreifenden Aufgaben werden die Karten vom Bund bereitgestellt (zum Beispiel die Karte im Maβstab 1:200000 des BKGs). In der klassischen, analogen Kartenherstellung wurden sie dabei in einem Turnus von 5 Jahren überarbeitet. Aus den topographischen Karten sind Informationen über Vermessungspunkte, Höhenlinien und anhand von Schraffuren sogar über die Nutzungsart herauslesbar. Alle diese bildlichen Darstellungen der realen Welt sind zudem Ausgangspunkt für thematische Karten, wie man sie aus den Medien zum Beispiel zur Darstellung von Wahlbeteiligungen für einzelne Landkreise kennt.

Mit der Fragestellung analoge Darstellungen zu digitalisieren, kam der Dozent zu den unterschiedlichen Repräsentationen in der rechnergestützten Verarbeitung. Bei digitalisierten Bildern denkt man dabei sofort an Rasterdaten, wie sie auch in der Fotografie genutzt werden. Dabei spiegelt jeder Punkt (Pixel) die Farbinformation an der jeweiligen Stelle wieder. Eine moderne Form in der Vermessung ist hier das Orthophoto, ein regionales, entzerrtes Luftbild. Geoinformationen ähnlicher Form werden auch bei den Kartendarstellungen der Satellitenaufnahmen in der Wettervorhersage eingesetzt. Zu Zwecken der Vermessung reichen jedoch diese Pixelinformationen nicht aus. Zusätzlich werden Koordinateninformationen in Form von Vektorgraphiken genutzt. Spezielle Punkte werden dabei durch die Koordinaten beschrieben, so dass Linienzüge möglich sind. Mit den weiter ergänzten Zusatzinformationen und Attributen (z.B. Namen) entstehen somit Objekte (z.B. Straβen, Wasserflächen), welche in einem digitalen Landschaftsmodell vereint werden. Solche digitalen Geländemodelle können beliebig komplex gestaltet sein. So ist es möglich, ganze Regionen plastisch anhand der Höhenangaben darzustellen oder zur virtuellen Planung von Städten im Computer komplette digitale Welten auf der Basis realer Daten zu erschaffen.

Im Wesentlichen entsteht somit eine Modellierung der Umwelt. Anhand von erfassten, realen Daten wird ein digitales Modell davon erstellt, aus dem wiederum ein kartographisches Modell resultiert. Dieses kann verschiedensten Nutzern in einer individuellen Form über verschiedene Verbreitungswege zugänglich gemacht werden. Das Erstellen von Papierkarten ist genauso leicht möglich, wie das Anbieten von digitalen Routeninformationen. Die heutige Geodatenbasis in Deutschland umfasst mittlerweile einen Umfang von ca. 1000 Gigabyte an Informationen. Ein wesentlicher Vorteil ergibt sich dabei aus der Möglichkeit zur Analyse. Als Beispiel nannte Prof. Grünreich die Überprüfung der Angaben zur Entfernungspauschale in der Einkommenssteuererklärung, welche durch die digitalisierten Karten einfach und exakt möglich ist. Die Raumplanung zum Bau neuer Verkehrswege greift ebenfalls auf diese Möglichkeit zurück, um neue Trassen kostengünstig und umweltschonend in die Landschaft zu betten. Groβe Transportunternehmen nutzen digitale Karten, um ihre Flotten zu managen und dabei mittels zusätzlichem Einsatz des Global Positioning Systems (GPS) immer zu wissen, wo sich die Fahrzeuge und damit Ladungen zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden.

Eine weitere Entwicklung soll besonders den Privatanwendern zu gute komme. Mittels personalisierter Karten können sie sich in ihnen fremden Gebieten über mobile Navigationsgeräte an ein vorgegebenes Ziel leiten lassen. Die Ausgaben sind dabei so ausgereift, dass nur noch zur Orientierung wichtige Landmarken (Kirchtürme, Parks) entsprechend der Bedürfnisse des Nutzers eingeblendet werden. Verschiedene Projekte auch auf europäischer Ebene versuchen dies zu realisieren und zu vereinheitlichen. Eine Schwierigkeit steckt dabei in den unterschiedlichen Gegebenheiten der Vermessung in den einzelnen Länder. Altersgemäβe, individuelle Darstellungen, welche zum Beispiel jahreszeitenabhängig touristische Informationen in digitalen Wanderkarten anbieten, sind somit die Karten der Zukunft. Daraus bilden sich neue Infrastrukturen aus, welche als Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE) in einer standardisierten, nationalen Geodatenbasis für neue, zukünftige Dienste aufgebaut wird.

Der nächste und damit letzte Vortrag für dieses Jahr findet am 15. Dezember statt. Dann wird Dr. Alexander Neidhardt einen technischen Reisebericht mit dem Titel "Sieben Tage in Tibet - Bits und Byte vom Dach der Welt" liefern, welcher von einem Aufenthalt im Himalaya zur Instandsetzung einer permanenten GPS-Messstation berichtet.


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