Detailliertes Bild des tibetischen Alltags

GIZ-Vortrag: Dr. Alexander Neidhardt entführte zu einer Reise ins Reich des Schnees

Bericht von Wolfgang Reimer

Auf eine Reise ins "Reich des Schnees" entführte Dr. Alexander Neidhardt am Donnerstagabend 60 Zuhörer. Der Sitzungssaal der Fundamentalstation Wettzell war bei dem Vortrag mit dem Titel "Sieben Tage in Tibet Bits und Bytes vom Dach der Welt" wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Das beweist das groβe Interesse an der Vortragsreihe des Fördervereins Geodätisches Informationszentrums (GIZ) Wettzell. Der Naturwissenschaftler, der an der Entwicklung des Kontroll- und Steuerungssystems für das neue Satellitenbeobachtungssystems SOSW beteiligt ist, berichtete anschaulich in Form eines technischen Reiseberichts von einem Wartungsaufenthalt in Lhasa. 2003 war Neidhardt zusammen mit Klaus Röttcher, der ebenfalls an der Fundamentalstation beschäftigt ist, im tibetanischen Hochland, um Teile einer von Deutschland aus betriebenen, geodätischen Permanentstation zur globalen Positionsbestimmung auszuwechseln. Auf einem Bürohaus in Lhasa befindet sich seit 1995 eine von 50 Stationen, die von Wettzell aus betreut werden. Zunehmend hatte es Ausfälle bei dem Empfänger gegeben, so dass die beiden Wettzeller im Oktober 2003 für sieben Tage nach Tibet reisten.

Auf Dienstreise: Dr. Alexander Neidhardt und Klaus Röttcher, hier mit zwei Mönchsnovizen im Kloster Tashilunpo in Shigatse
Dr. Alexander Neidhardt wird bei der Ankunft in Lhasa der traditionelle Kata ("Stoff, der bindet") als Zeichen der Freundschaft überreicht

Tibet hatte sich jahrhundertelang gegen Einflüsse aller Art abgeschottet und blieb selbst für Forschungsreisende - nicht nur wegen der geographischen Lage - bis auf wenige Ausnahmen unzugänglich. Auch heute bedarf ein Flug ins tibetanische Hochland gründlicher Vorbereitung und die "Erledigung einer Menge Papierkram", informierte Neidhardt. China, das das Land 1950 besetzt hatte, erlaubt nur geführten Touristengruppen die Einreise. Dagegen waren die beiden Kötztinger nach Zwischenlandungen in Hongkong und Chengdu alleine mit einem chinesischen Aufpasser und ihrem tibetischen Fahrer unterwegs. Deshalb konnte Neidhardt ein authentisches und detailliertes Bild von Kultur, Landschaft, Religion und dem Alltagsleben der Tibeter in der Region um Lhasa zeichnen. Der Kontrast verblüffte: In den Städten fast westlich anmutendes Leben, in denen chinesische Planarchitektur die traditionelle Bauweise immer mehr verdrängt - und andererseits die Jahrhunderte alte tibetische Kultur, die vor allem in den Klöstern spürbar wird. Neidhardt verschwieg nicht die körperlichen Beschwerden, denen ein Mitteleuropäer auf 3600 Meter Höhe ausgesetzt ist: Kopfschmerzen und Schwindelanfälle sind Anzeichen der Höhenkrankheit, die durch Sauerstoffmangel ausgelöst wird. Körperliche Anstrengung, wie das Schleppen von Computern und Kisten in die oberen Etagen des Bürohauses in Lhasa, in denen die Messtechnik untergebracht sind, waren eine echte Herausforderung für die beiden Kötztinger.

Alexander Neidhardt mit einer Tibeterin am Pass Kamba La
Der Blick vom Pass Kamba La über den Jadesee (im Hintergrund der Nayun Kang mit 7190 m)

Doch Neidhardt stellte weniger den technischen Aspekt der Reise in den Mittelpunkt, sondern folgte der Spur des Alltäglichen. Zwar wurden während der chinesischen "Kulturrevolution" viele Kulturdenkmäler und religiösen Zentren Tibets zerstört, Mönche und Regimegegner verfolgt, gefoltert und hingerichtet, doch auf ihrer 700 Kilometer langen Tour in einem Geländewagen über staubige Pisten und Brücken, die reiβende Flüsse überspannen, erlebten Neidhardt und Röttcher die Gastfreundschaft eines Volkes, das zwar wenig besitzt, aber eine tiefe Zufriedenheit ausstrahlt. Denn die Landschaft ist in groβen Teilen von Kargheit geprägt: Dort wo es das Klima erlaubt, werden auf künstlich bewässerten Feldern Weizen, Gerste, Kartoffeln, Mais und Hülsenfrüchte angebaut. Bedeutender ist die Weidewirtschaft (Schafe, Yaks) auf den Hochsteppen. Die Industrie ist bis auf den Bergbau noch gering entwickelt.

Fasziniert war der Wissenschaftler von dem gelebten buddhistischen Glauben, mit seiner Toleranz gegenüber Andersgläubigen: "In Gyantse bestand bis zur Zerstörung durch die Kulturrevolution ein ökumenischen Zentrum, in dem verschiedene Sekten friedlich zusammenlebten." Nie sei versucht worden, ihn oder seinen Begleiter zu "missionieren."

Der Potala ist ehem. Regierungs- und Wohnsitz des Dalai Lama

Für Neidhardt war es die erste, aber nicht die letzte Reise in das tibetanische Hochland am Himalaya. Im Mai 2006 ist ein weiterer Aufenthalt geplant. Dabei soll unter anderem eine neue Software installiert werden, die ein Diplomand in Wettzell entwickelt hat, das Betriebssystem von Windows auf Linux umgestellt und die Sicherheit des Internetzugangs verbessert werden.

Das Vortragsprogramm des GIZ wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Den Anfang macht am 16. Februar Dr. Ulrich Huber mit dem Thema "Das interkommunale Geografische Informationssystem des Landkreises Cham."


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