Wie wir auf dem Kreisel Erde um unsere Sonne taumeln

GIZ-Vortrag: Dr. Thomas Klügel gibt Einblick in die Geheimnisse der Erdrotation

Von Alexander Neidhardt

Seit ca. 4,6 Milliarden Jahren dreht die Erde nun schon ihre Bahn um die Sonne. Dabei bestimmt ihre eigene Rotation Tag und Nacht und prägt somit unsere gewohnten Abläufe des täglichen Lebens. Eine genauere Betrachtung ergibt jedoch, dass diese Bewegungen verschiedensten Einflüssen und damit Schwankungen unterworfen sind. Genaueste international durchgeführte Messungen zeigen diese Rotationsveränderungen und Polbewegungen, deren Kenntnis die Grundlage für die Raumfahrt, moderne Satellitennavigation und für das Verständnis des Systems Erde an sich bildet. Von diesem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren und ihren Auswirkungen handelte unter anderem der erste Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informations Zentrum Wettzell e.V. in diesem Jahr von Dr. Thomas Klügel mit dem Titel „Und sie dreht sich noch – die Rotation unserer Erde“.

Dr. Thomas Klügel mit dem selbstgebauten Gyroskop, mit dem er anhand von Kreiselexperimenten die theoretische Physik begreifbar machte

Dr. Klügel ist seit Gründung des Fördervereins als Vorsitzender sehr in der Vorbereitung von Vorträgen und der Planung eines ersten Ausstellungsraumes engagiert. Als studierter Geologe kam er 1998 im Rahmen des Ringlaserprojekts nach Wettzell und ist seitdem in diesem Bereich tätig. Da mit dem Ringlaser kleinste Rotationsschwankungen der Erde gemessen werden können und damit erstmals bislang nur theoretisch bekannte Gröβen messtechnisch nachgewiesen werden konnten, lag ein Vortrag zu diesem Themengebiet nahe.

Als Einstieg stellte der Referent die Frage, weshalb die Planeten eigentlich rotieren. Dies kann man sich einfach dadurch erklären, dass zwei geradlinig bewegte Teilchen, welche in den Einfluss einer Massenanziehung gelangen, in eine Kreisbewegung um diese Masse übergehen. Diese Rotationsbewegungen ergaben sich bei der Entstehung unseres Sonnensystems und deren Planeten. Doch diese Drehbewegung bleibt nicht konstant. Historische Beobachtungen von astronomischen Ereignissen und Erkenntnisse zur Tageslänge aus den Wachstumsperioden verschiedener Fossilien zeigen, dass die Erde langsamer wird. Dies liegt vor allem an der sogenannten „Gezeitenreibung“. Durch die Drehung der Erde wirken die durch den Mond verursachten Effekte Ebbe und Flut zeitverzögert. Die auf die Flutberge wirkende Anziehungskraft des Mondes ist der Erddrehung entgegengerichtet, wodurch eine Bremswirkung entsteht. Im Gegenzug überträgt sich ein Teil der Drehenergie auf den Mond, der dadurch auf seiner Bahn beschleunigt wird und sich somit langsam von der Erde entfernt.

Mit einigen Experimenten zeigte Dr. Klügel anschaulich die sonst sehr theoretischen Gesetzmäβigkeiten der Physik, welche bei einer Kreiselbewegung wirken. Der Drehimpulserhaltungssatz besagt hierbei, dass in einem Körper ohne äuβeres Drehmoment der Gesamtdrehimpuls nach Betrag und Richtung konstant bleibt. Vergegenwärtigen kann sich dies zur Zeit jeder durch die Olympischen Winterspiele, anhand der Pirouetten eines Eiskunstläufer. Hält dieser die Arme von sich gestreckt, wird Masse weiter nach auβen verlagert, was zu einer Verlangsamung der Drehung führt. Eng angelegt beschleunigt sich seine Rotation. ähnliches wirkt auch auf die Erde aufgrund von Massenverlagerungen in den Ozeanen oder auch in der Atmosphäre. Hierbei räumte Thomas Klügel auch mit der Mär auf, dass der Fall des Laubes von den Bäumen und damit Verlagerungen von erheblicher Biomasse messbaren Einfluss auf die Rotation habe. Dieser würde durch wesentlich stärkere Effekte überlagert.

Anhand eines durch das Vereinsmitglied Michael Wensauer gebauten Gyroskops verdeutlichte Dr. Klügel experimentell die Hintergründe der Präzession und der Nutation, die auch auf der Erde nachweisbar sind und aufgrund der Anziehungskräfte von Mond und Sonne entstehen. Wegen der Präzession beschreibt die Rotationsachse eine kreisförmige Bewegung, die zum Beispiel bei der Erde ca. 26000 Jahre dauert. Somit markierte zu Christi Geburt auch nicht der Nordstern Norden, sondern ein anderer Punkt des Firmaments. Die astronomische Nutation ist dieser Bewegung überlagert und im Wesentlichen durch den Mondumlauf gegeben.

Aufgrund der Tatsache, dass die Erde ohne feste Drehachse als freier Kreisel angesehen werden muss, ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Polbewegungen ergeben. Interessant ist hierbei, dass sich zahlreiche Effekte überlagern und sich dabei sogar Naturereignisse wie das El Nino – Phänomen in der Rotation der Erde widerspiegeln. Auch Erdbeben haben hierbei gewissen Einfluss. Jedoch mussten die Anfang des letzten Jahres nach dem Sumatraerdbeben bekannt gegebenen Zahlen zur Lageveränderung des Pols nach genauerer Berechnung revidiert werden. Dieses gewaltige Erdbeben konnte die Drehachse nur um ca. 2,5 Zentimeter verschieben, was einmal mehr zeigt, welche Energie in der Drehung unserer Erde steckt.

Zum Abschluss stellte Thomas Klügel noch den Bezug zur Fundamentalstation Wettzell her, in der all diese Effekte anhand der geodätischen Raumverfahren gemessen werden können, wobei noch zahlreiche Effekte ungeklärt sind und damit immer wieder Raum für weitere Forschungsarbeiten bieten. Beim nächsten Vortrag wird Dr. Ulrich Huber über „Das interkommunale Geografische Informationssystem des Landkreises Cham“ referieren. Er wird am 16. März wieder auf der Fundamentalstation Wettzell stattfinden.


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