Salzwasser tief unter der Oberpfalz

GIZ-Vortrag über Kontinentale Tiefbohrung

Von Thomas Klügel

Dass man in einigen Kilometern Tiefe auf riesige Mengen Salzwasser stoßen würde, hat niemand erwartet, als in Windischeschenbach Anfang der neunziger Jahre im Rahmen des Kontinentalen Tiefbohrprogramms (KTB) der tiefe Untergrund der Oberpfalz erforscht wurde. Das war eines der überraschenden Ergebnisse der KTB, über die am vergangenen Donnerstag Prof. Hans-Joachim Kümpel vom Leibniz Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben (GGA) auf der Fundamentalstation Wettzell auf Einladung des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. berichtete. Dass dieses Thema in unserer Region auf großes Interesse stößt, zeigte sich auch an der enormen Zuhörerzahl, die den Sitzungsraum der Fundamentalstation fast aus den Nähten platzen ließ.

Prof. Kümpel vor dem Temperatur/Tiefenprofil der KTB und der Kola-Bohrung.

Der Geophysiker Prof. Kümpel, der nach seinem Studium in Kiel und einer Professur an der Universität Bonn jetzt Direktor des GGA-Institutes in Hannover ist, gab zunächst eine Einführung in das Großforschungsprojekt KTB, in die über fast zwei Jahrzehnte 500 Mio DM investiert wurde und die einmalige Einblicke in die kristalline Kruste unseres Planeten ermöglichte. Mit einer Endtiefe von 9101 m ist die KTB nach der supertiefen Bohrung auf der Kola-Halbinsel im russischen Teil Skandinaviens, die eine Tiefe von über 12000 m erreichte, das zweittiefste von Menschen gemachte Loch in der Erdkruste. Die ursprünglich anvisierte Tiefe von 12 oder gar 14 km konnte nicht erreicht werden, da bereits in 9 km Tiefe eine Temperatur von 265 Grad C statt der erwarteten 180-200 Grad C herrschte, die ein Weiterbohren technisch praktisch unmöglich machte. Die falsche Prognose des Temperaturgradienten machte dabei wieder deutlich, wie schwierig die Bedingungen im Inneren der Erde von der Erdoberfläche aus abzuschätzen sind.

Nach der eigentlichen Bohrphase 1987-1994 wurde bis 2001 ein Tiefenlabor an der KTB betrieben, wo von Geowissenschaftlern aus der ganzen Welt Experimente verschiedenster Art durchgeführt wurden. Dabei war es von großem Vorteil, dass in nur 200 m Entfernung zur Hauptbohrung (HB) zuvor eine Vorbohrung (VB) abgeteuft wurde, die eine Tiefe von 4000 m erreichte. Bereits damals erkannte man die ungewöhnlich hohe Wasserdurchlässigkeit des Gebirges selbst in großer Tiefe, vor allem entlang zweier Störungssysteme, die beide Bohrungen in steilem Winkel schneiden. Daraufhin wurde im Rahmen des DFG Schwerpunktprogramms ICDP (International Continental Drilling Project) ein Forschungsprogramm beantragt, welches Pump- und Injektionstests im großen Maßstab vorsah, um unkontaminierte Fluide zu gewinnen, Mikroerdbeben zu erzeugen, und die hydraulischen Eigenschaften des Gebirges besser zu verstehen.

Während des 1-jährigen Pumptests wurden von 2002-2003 insgesamt ca. 22.000 Kubikmeter Wasser aus der Vorbohrung in 4 km Tiefe gefördert, während gleichzeitig der Wasserstand in der Hauptbohrung beobachtet wurde. Das 120 Grad C heiße Wasser trat an der Oberfläche mit etwa 50 Grad C aus und blubberte wie eine frisch geöffnete Flasche Sprudelwasser. Die Wissenschaftler ließen es sich nicht nehmen, auch mal ein Schlückchen zu probieren. Die spätere Analyse bestätigte den Geschmackstest: doppelt so salzig wie Meerwasser. Und die Gase, die während des Aufstiegs durch Druckentlastung frei wurden, entpuppten sich als Methan und Stickstoff, und zwar die enorme Menge von 1000 Litern Gas je Kubikmeter Wasser. Spurenelementanalysen zeigten, dass das Wasser aus dem weit entfernten mesozoischen Sedimentbecken westlich der Fränkischen Linie, die Salzablagerungen enthalten, stammten.

Nach einer einjährigen Erholungspause schloss sich von 2004-2005 ein 1-jähriger Injektionstes an, in dessen Verlauf die enorme Menge von ca. 85.000 Kubikmeter Wasser in die Vorbohrung unter hohem Druck von bis zu 200 bar verpresst wurden. Dabei fiel auf, dass Mikroerdbeben, die üblicherweise beim Einpressen von Wasser entstehen, erst auftraten, als mehr Wasser eingeleitet war als zuvor entnommen wurde. Die Wissenschaftler interpretieren das als Folge einer Stabilisierung der Erdkruste durch die vorherige Entnahme von Wasser, eine wichtige Erkenntnis für die Erbebenforschung.

Abschließend bemerkte Prof. Kümpel, dass die KTB eine weltweit einmalige Datenbasis der oberen Erdkruste geliefert hat. Außerdem hat sie auf sämtliche Geowissenschaften in Deutschland ausgestrahlt. Erstmals waren die verschiedenen Teildisziplinen in einem Projekt vereint, was auf die Zusammenarbeit in den Geowissenschaften auch heute noch positive Auswirkungen hat. Auch für die deutsche Bohrindustrie hat die KTB einem enormen Impuls geliefert. Exaktes Vertikalbohren und kontrolliertes Schrägbohren wurden dabei zur Perfektion gebracht, wovon die Bohrindustrie heute profitiert. Insofern ist ein Forschungsprojekt mit hohen Investitionen wie die KTB unter verschiedenen Aspekten zu bewerten.

In der anschließenden Diskussion haben viel Zuhörer die Möglichkeit genutzt, Fragen zu stellen und Informationen aus erster Hand zu erfahren. So ging es neben konkreten Fragen zu dem Vortrag auch um Themen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, wie z.B. um Fragen der geothermischen Energiegewinnung oder der Problematik der Endlagerung gefährlicher Abfälle im Untergrund. Beim nächsten Vortrag des Fördervereins GIZ geht es um Verfahren und Messtechniken zur Bestimmung der Erdschwere und deren zeitliche und räumliche Variation, worüber Dr. Herbert Wilmes vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie referieren wird.


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