Die Anziehungskraft unserer Erde und wie man sie misst

GIZ-Vortrag über gravimetrische Messverfahren des BKG

Von Alexander Neidhardt

Obwohl wohl keiner wirklich die Ursache und die Wirkungsweise der Gravitation zu erklären vermag, beeinflusst ihre Existenz doch unsere gesamte Erfahrungswelt. Und so wird es noch viele Theorien und Philosophien über die Hintergründe dieser aufgrund ihrer Massen wirkenden, gegenseitigen Anziehungskraft zweier Körper geben. Und auch wenn diese Frage bislang ungeklärt scheint, kann man sich doch der Gravitation bedienen, um sie für messtechnische Aufgaben einzusetzen. Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt ist hierin eine der zentralen Einrichtungen, wenn es darum geht, gravimetrische Messungen durchzuführen. Sie dienen nicht nur der exakten Eichung von Waagen, sondern erlauben mitunter auch einen tieferen Einblick in die Geschehnisse im Erdinneren. Von diesen vielseitigen Facetten handelte der letzte Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. in diesem Halbjahr mit dem Titel "Die gravimetrischen Messverfahren - was verrät uns die Schwere über den Aufbau der Erde?" von Dr. Herbert Wilmes.

Dr. Herbert Wilmes vor einem Querschnitt eines Absolutgravimeters FG5, so wie es vom BKG Frankfurt eingesetzt wird.

Dr. Wilmes ist seit 1990 beim BKG im Bereich der Schweremessung tätig und konnte zuvor auch schon beim Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut (DGFI) in München zu diesem Thema Erfahrungen sammeln. Ausgangspunkt der Messungen ist das Newtonsche Attraktionsgesetz, welches die Gravitation als Kraft zwischen Körpern beschreibt, die proportional mit der Masse zunimmt und mit der Entfernung quadratisch abnimmt. Diese Anziehungskraft bewirkt, dass z.B. auf der Erde Körper im freien Fall beschleunigt zur Erde stürzen. Dieser Umstand, dass ein Apfel zu Boden fällt, soll Newton einst in der Legende zu seiner Erkenntnis verholfen haben. Und auch heute verhelfen gravimetrische Fallexperimenten zu neuen Erkenntnissen.

Dabei ist jedoch die Beschleunigung vom Ort der Messung abhängig. So wirkt auf der Zugspitze eine geringere Anziehungskraft und damit auch Fallbeschleunigung als in Garmisch. Ebenso wirkt sich die Abplattung der Erde an den Polen aus. Zudem sind sämtliche Messungen zeitabhängig, da sie entsprechend der Gezeiten der festen Erde und anderer durch Ozeane oder Auflasten aus Atmosphäre und Eisbedeckung gegebener Effekte Schwankungen unterworfen sind. Die Messung dieser Effekte fördert nicht nur geophysikalische Erkenntnisse bei der Lagerstättenforschung oder zu geophysikalischen Prozessen im Untergrund, wie z.B. Grundwasserschwankungen. Das Bundesamt nimmt im Auftrag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig auch die Aufgabe war, physikalische Kenngrößen für Präzisionswaagen und Barometer zu liefern.

Gemessen werden können die Einflüsse der Gravitation u.a. schon mit Fadenpendel oder Federwaage. Jedoch sind diese "primitiven" Instrumente für heutige Anforderungen zu ungenau. Das BKG betreibt deshalb an verschiedenen Standorten, u.a. auch in Wettzell, supraleitende Gravimeter. Sie messen die relativen Schwankungen der Erdanziehungskraft mittels einer supraleitenden Kugel, welche im Magnetfeld einer supraleitenden Spule schwebt. Kleinste Positionsveränderungen werden über kapazitive Messverfahren erfasst und ausgeglichen. Dies ermöglicht somit auch die Messung von Gravitationsveränderungen. Allerdings sind einige technische Voraussetzung zu lösen. Die Temperatur z.B. muss auf 4,2 Kelvin (-268,95 Grad Celsius) durch flüssiges Helium stabil gehalten werden, um Supraleitung zu ermöglichen.

Diese Relativinstrumente müssen zudem regelmäßig mittels absoluter Messungen "geeicht" werden. Dazu nutzt man die bereits erwähnten, gravimetrischen Fallversuche. In einem Absolutgravimeter wird eine Probemasse innerhalb einer Vakuumkammer mittels eines Aufzugs auf eine definierte Höhe angehoben. Der anschließende Fall der Masse wird mittels eines Lasers exakt vermessen, was eine absolute Aussage über die zum Zeitpunkt des Falls am Ort des Gravimeters herrschende Fallbeschleunigung zulässt. Entscheidend dabei ist eine exakte Zeitmessung mittels Rubidium-Normale genauer als eine Nano-Sekunde und eine exakte Längenmessung durch den Laser genauer als ein Nano-Meter. Die Messungen sind so exakt, dass sogar die Gravitationswirkung eines danebenstehenden Beobachters messbar ist. Pro Messung finden so 150 Fallversuche (alle 10 Sekunden ein Fall) statt. Bei einem Experiment werden eine Vielzahl solcher Messungen ausgeführt.

Die Daten dienen u.a. zur Bestimmung des Geoids, eine Referenzfläche für die Erdvermessungen, und spannen ein sog. Schwerenetz auf. Zudem werden mit Hilfe der permanenten Messungen Satellitenschwerefeldmissionen validiert. Um diese Messungen weiter zu verdichten, finden zur Zeit beim BKG Versuche mittels eines transportablen, feldtauglichen Absolutgravimeters statt. In diesem Rahmen wurde so zum Beispiel eine Eichlinie zwischen Garmisch und der Zugspitze vermessen, wovon Dr. Wilmes einige abenteuerliche Bilder beim winterlichen Transport der Messinstrumente hinauf zur Zugspitze zeigen konnte. Wettzell und auch das Transportable Geodätische Observatorium (TIGO) in Concepcion/Chile sind durch die permanent installierten Gravimeter dabei wichtige Bezugspunkte. Und so wurden die Zuhörer dank des Internets auch noch Zeuge eines Live-Experiments mit einem Absolutgravimeter in Concepción, indem Dr. Wilmes sich die Ausgaben des vor Ort befindlichen Kontrollsystem auf die Wettzeller Leinwand holte. Die Ergebnisse der einzelnen real in Chile stattfindenden Fallversuche konnten so beobachtet werden. In Wettzell jedenfalls werden die Bewohner mit einer Fallbeschleunigung von ca. 9,808356954 Metern pro Quadratsekunde zur Erde gezogen.

Die Vortragsreihe wird aufgrund des großen Interesses auch im nächsten Halbjahr wieder fortgesetzt. Aufgrund einige terminlicher Planungen wird das Programm aber voraussichtlich erst Ende Juli erscheinen. Interessant könnte aber auch der Besuch der Kontinentalen Tiefbohrung in Windisch-Eschenbach sein, den der Verein unter wissenschaftlich sachkundiger Führung am 23. September durchführt. Interessenten können sich gerne beim Vorstand melden.


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