Über unvorstellbare Theorien und faszinierende Einblicke

Kosmologievortrag des GIZ im Haus des Gastes - knapp 250 Besucher begeistert

Von Alexander Neidhardt

Der Blick in den Sternenhimmel lässt kaum einen Menschen unberührt. Verbunden mit der Frage, was es da draußen wohl noch so alles gibt, versuchen deshalb Menschen seit jeher, das Universum zu ergründen. Doch nie hatte die wissenschaftliche Erschließung größere Fortschritte als in den letzten 100 Jahren. Dies wird unter anderem auch bei der Verleihung des aktuellen Nobelpreises an die beiden Forscher John C. Mather und George F. Smoot deutlich. Sie entdeckten die Schwarzkörper-Form und Anisotropie der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (Echo des Urknalls). Und obwohl alle Parameter des Universums mittlerweile bis weit in die Nachkommastellen bekannt sind und sich die theoretischen Modelle in die Realität einfügen, sind noch 96 Prozent des Kosmos unerforscht. Mit dieser Thematik beschäftigte sich deshalb der Vortrag des Fördervereins Geodätisches Informationszentrum Wettzell e.V. vom vergangenen Donnerstag, bei dem der hoch geschätzte Professor Hanns Ruder von der Universität Tübingen über "Dunkle Materie, dunkle Energie (finstere Gedanken) - moderne Entwicklungen in der Kosmologie" referierte.

Professor Ruder zeigt faszinierende Einblicke in das Universum mit den ganzen Sternenstehungsregionen

Aufgrund des großen Öffentlichkeitsinteresses fand der Vortrag diesmal im Haus des Gastes statt, welches von der Stadt Bad Kötzting kostenlos zur Verfügung gestellt und vom Gasthof zur Post (Fa. Huber) vorbereitet wurde. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit dem Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Cham und dem Aktionskreis Lebens- und Wirtschaftsraum Landkreis Cham e.V. durchgeführt und konnte aufgrund der finanziellen Unterstützung durch den Aktionskreis kostenlos angeboten werden. Viele der Zuhörer kannten Prof. Ruder und seinen unterhaltsamen und doch tiefgründigen Vortragsstil bereits vom letztjährigen Vortrag über die Visualisierung relativistischer Effekte, so dass der mit 260 Stühlen ausgestattete Saal wieder fast vollständig gefüllt war. Und auch diesmal konnte er mit überwältigenden Bildern, unter anderem aufgenommen vom Hubble Weltraumteleskop, aufwarten. Die Begrüßung übernahm der Stationsleiter der Fundamentalstation, Dr. Wolfgang Schlüter, in Vertretung für den Vorstandsvorsitzenden.

Der aktuellen Nobelpreis für Physik: John C. Mather und George F. Smoot für die Entdeckung der Schwarzkörper-Form und der Anisotropie der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (Echo des Urknalls).
Eine Simulation der zukünftigen Massenverteilung in unserem Universums: faszinierende Strukturen mit Materieclustern

Als Einstieg wählte Ruder anschließend den aktuellen Physiknobelpreis und zeigte dazu ein Bild mit einem "Fleckerlteppich", wie er es bezeichnete, aus farbigen Flächen innerhalb eines Ovals, was die Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung darstellte. In dem folgenden Vortrag erläuterte er dann Schritt für Schritt, wieso diese Erkenntnis so wichtig für die Erforschung des Kosmos war. Es folgten zahlreiche Bilder der Milchstraße und weiterer Galaxien. Im sog. Nordamerikanebel konnte man gut die Staubwolken erkennen, in denen es zahlreiche Sternentstehungsregion gibt, die durch Gravitationskollapse neue Sterne hervorbringen. Lange musste man sich damit begnügen, das All von der Erde aus zu beobachten. Es wurden bessere, leistungsstärkere Teleskope entwickelt und obwohl Hubble vermutete, dass man mit einem entsprechend starken, terrestrischen Teleskop bis ans Ende des Universums blicken könne, machte die atmosphärische Störung diese Wunschvorstellungen zu nichte. Erst mit Hilfe des 2,4 Meter - Hubble Weltraumteleskops erschlossen sich die Möglichkeiten außerhalb der Erdatmosphäre. Ein Blick in unsere Galaxie, die Milchstraße, wurde möglich, wie er bis dato unmöglich war. Sie besteht aus 100 Milliarden Sternen und hat einen Durchmesser von 100000 Lichtjahren. Unser Sonnensystem ist dabei ca. 22000 Lichtjahre vom Zentrum des mit 3 Millionen Sonnenmassen wirkenden schwarzen Lochs entfernt und umkreist dieses mit einer Umlaufdauer von 250 Millionen Jahren.

Unbegreifbare Dimensionen gelten damit schon für unsere Milchstraße. Dabei besteht das sichtbare Universum aus zahlreichen Galaxien. Stellt man sich diese in Größe eines Suppentellers vor, so befinden sich die 100 Milliarden Galaxien in Abständen von drei Metern zueinander. Zudem ist festzustellen, dass sie nicht statisch im Raum stehen, sondern sich bewegen, was man aufgrund von Entfernungsbestimmungen durch Helligkeitsabschätzungen und Untersuchungen der Dopplerverschiebung (Rotverschiebung wegbewegender Galaxien) belegen kann. Hydra befindet sich z.B. 3,6 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 61000 Kilometern pro Sekunde von uns weg. Das entspricht der 61000-fachen Geschwindigkeit einer Concorde.

Professor Ruder vor seinem Auditorium im fast bis zum letzten Sitzplatz gefüllte Saal des Haus des Gastes
Dr. Schlüter überreicht Prof. Ruder ein Dankeschön des Vereins, ein Vereinsglas samt Rotweinflasche

Das Universum expandiert und das beschleunigt. Ein für viele interessanter Gesichtspunkt ist dabei, dass man überall im Kosmos den selben Eindruck gewinnt, so dass man sich selbst im Zentrum der Expansion befindet und sich alles um einen herum weg bewegt. Eine einfache Vektorrechnung belegt z.B., dass ein angenommener Klingonenstamm in seiner Galaxie das selbe Verhalten betrachtet wie wir hier. Dies bedeutet also, dass der Urknall nicht einen spezifischen Ursprung hatte.

Lange Zeit hat es auch gedauert, die sog. Hubble-Konstante zur Beschreibung der Proportionalität zwischen Rotverschiebung und Entfernung von Galaxien zu bestimmen. Ganze Forscherteams um Gerard Henri de Vaucouleurs und um Allan Rex Sandage bzw. Gustav Tammann führten regelrecht "Krieg" miteinander deswegen. Erst das Hubble-Teleskop brachte die ersehnte Aufklärung. Sie zeigte, hätten beide Forscherteams ihre Arbeiten zusammengelegt, wäre als Mittel die richtige Konstante errechenbar gewesen. Anhand hochaufgelöster 400 Megabyte großer Originalbilder verdeutlichte Prof. Ruder nochmals die Möglichkeiten mit diesem Weltraumteleskop, mit dem es damit auch möglich war, die gesamte Anzahl der Galaxien abzuschätzen. Dazu wurde eine Woche lang ein kleiner Ausschnitt (Größe 1/100 der Vollmondfläche) mit einer Pointierungsgenauigkeit beobachtet, als würde man zwei nebeneinander liegende Millimeterstriche auf einem Meterstab in einer Entfernung von 200 Kilometer messen. Das Ergebnis aller Beobachtungen war, das über den gesamten Himmel gerechnet ca. 100 Milliarden Galaxien existieren, welche insgesamt 10 hoch 22 Sterne aufweisen. Das entspricht als Zahl einer 1 mit 22 Nullen.

Die Hauptveranstalter: Dr. Wolfgang Schlüter (GIZ Wettzell), Prof. Hanns Ruder (Uni. Tübingen) und Klaus Schedlbauer (Aktionskreis Cham)

Theoretischer ging es dann in den Endspurt des Vortrags. Die Frage nach der Metrik des Raums in Form einer Ebene, Kugel oder Pseudosphäre (Sattelfläche) sollte geklärt werden. Dazu musste man sich die Expansion einer Dreiecksfläche über Millionen von Jahre hinweg errechnen. Dies ist möglich, da man aufgrund der Beobachtungen von aktuellen Galaxien, deren Licht ja aus der Vergangenheit stammt, Vergleiche gleichaltriger anstellen kann. Mit Hilfe des Deep Fields des Hubble-Teleskop konnte man damit sogar bis an die Zeit ohne Galaxien am Rande des Universums zurückblicken. Was man letztendlich dahinter erkennt, ist ein "rotverschobener Blitz" des Urknalls. Und dies war Ausgangspunkt des ersten Teils des Nobelpreises, denn die Verteilung darin verhält sich wie die Strahlung eines schwarzen Köpers, eine ideale thermische Strahlungsquelle. Der zweite Teil beschäftigte sich mit den Temperaturfluktuationen in der Verteilung. Rechnet man aus den Beobachtungen die idealisierte Strahlung heraus, wird genau der eingangs von Prof. Ruder gezeigte "Fleckerlteppich" sichtbar. Mit dieser Ausgangsbasis wurde ein exakter Blick auf die Hintergrundstrahlung möglich, wodurch sich damit alle Parameter des Universums errechnen lassen.

Nach dieser komplexen Theorie wurden die Zuschauer schließlich damit konfrontiert, dass im Universum nur ca. 4 Prozent baryonische Materie, aus der auch wir bestehen, existiert. Der Rest ist bislang unbekannt und besteht aus dunkler Materie und dunkler Energie. Trotzdem konnte man mit Hilfe eines Hochleistungsrechners und unter Einbeziehung aller Modelle eine Zukunftsentwicklung berechnen, die Prof. Ruder als Animation vorführte. Danach bilden sich langsam Materiecluster und verblüffende Strukturen.

Der nächste Vortrag beschäftigt sich mit dem "Blick in unsere Erde - Messverfahren in der Geophysik". Er wird von PD Dr. Thomas Jahr von der Universität Jena am 16. November auf der Fundamentalstation Wettzell abgehalten.


Bislang erschienen in:
(21.10.2006) jpg
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